MESSER MAGAZIN 1/2013 - Seite 76-77
SOLINGER SPEZIALITÄT
Springmesser mit sogenanter Lever-Lock-Mechanik wurden früher von vielen Solinger Firmen gefertigt. Einer der wenigen verbliebenen Hersteller ist Hubertus.
Die Erfolgsgeschichte des Springmessers reicht über 200 Jahre zurück und beruht maßgeblich auf der komfortablen und sicheren Einhand-Bedienung. Jeder, der viel mit Messern arbeitet, weiß das zu schätzen. Und so war das Springmesser das erste „Einhandmesser“, das in großem Maßstab produziert wurde, vor allem von Firmen aus dem englischen Sheffield und aus Solingen.
Neben Männern gehörten auch viele Frauen zu den Abnehmern: Kleinere Messer, die bei Näharbeiten eingesetzt wurden, waren häufig mit einer Öffnungsautomatik ausgestattet. Die Fingernägel dankten es!
Springer mit Hebel-Arretierung (Lever-Lock) galten lange als Solinger Spezialität, auch wenn sich nicht mehr exakt zurückverfolgen lässt, wer das erste Messer dieses Typs hergestellt hat. Diese Technik wurde schlichtweg nie patentiert.
Mehrere Bauteile charakterisieren Lever-Lock-Springer: Die Rückenfeder (zugleich Abstandhalter und Aufnahme der gesteckten Auswurffeder) dient unter anderem als Klin- genanschlag. Die längs auf der Griffoberseite liegende, hochglanzpolierte Blattfeder stabilisiert einen Hebel und ist mit einer darunterliegenden Feder vernietet. Deren zum Bolzen geformtes Ende greift unter Spannung in eine passgenaue Aussparung der Klingenwurzel und fixiert so die Klinge im Griff.
Ist der Hebel (bei Hubertus stets aus Neusilber) nach vorne geklappt, ist die Klinge gesichert. Wird er nach hinten umgelegt, trifft er auf eine Erhöhung der Backen und „hebelt“ dadurch den Bolzen aus der Aussparung. Nun kann die Auswurffeder im Griffinneren ihrer Arbeit nachkommen und der Klinge einen Impuls verpassen, damit sie schwungvoll nach außen schnellt. Ganz herausgeklappt, greift der Bolzen dann wieder in eine zweite Aussparung der Klingenwurzel.
Mehr als 50 renommierte Solinger Firmen führten Springmesser in ihrem Sortiment, die oft als Auftragsfertigung bei anderen Solinger Schneidwarenherstellern gefertigt wurden, und sich häufig nur im Detail voneinander unterschieden. Bei der 1932 gegründeten Schneidwarenfabrik Kuno Ritter gehörten Springer neben traditionellen Jagdmessern bereits früh zum Herstellungsprogramm. Dort wurden neben dem gängigsten Modell mit 8,5 Zentimeter langer Klinge und leicht abgesenkter Spitze schon bald Modelle in kleinerer Größe geführt.
Als Ritter 1961 einen anderen Solinger Hersteller namens Gebr. Gräfrath übernahm, wur- den die Mitarbeiter mit ihrem Fertigungsprogramm einfach in die Firma integriert. So konnte Ritter das eigene Springer-Sortiment beträchtlich erweitern, denn Gebr. Gräfrath hatte bereits seit den frühen 1920er Jahren Springmesser in verschiedenen Ausführungen hergestellt.
Der kleinste Springer (Mod. 4030 FH, Klinge 55 Millimeter) findet sich heute noch im Programm. Bis Mitte der 1980er Jahre wurde er mit der Backen-Prägung "Lilliput Springer" versehen. Neben der edleren Ausführung mit Griffschalen aus Hirschhorn gab es stets preiswertere Varianten, wie die hier abgebildete mit Schalen aus Hirschhornimitat. Der große Springer (4080 HH) ist für die Flugwildjagd mit einem hakenförmigen Auszieher für das Gescheide versehen. Andere Funktionsteile, die man immer wieder an Springern sieht, sind Auszieher für Hülsen von Schrotpatronen (als Griffbacken oder in ausklappbarer Form), Knochensäge, Kapselheber und Korkenzieher, Dosenöffner, Champagnerhaken, Federmesserklinge, Zahnstocher, Pinzette und Feile.
Heute umfasst das Springer- Programm von Hubertus sieben Grundmodelle, die es in zahlreichen Griff- und Ausstattungsvarianten gibt. Ein Glück für alle Sammler und Nutzer.
Text & Fotos: Oliver Lang
Mit freundlicher Genehmigung von www.messermagazin.de
Der Originalbeitrag aus dem MESSER MAGAZIN als PDF zum Download
Messer-Magazin-2013-01_Seite-76-77_Klassiker-Hubertus.pdf
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