Springmesser
Historie & Entwicklungsgeschichte

Die über 150-jährige Solinger Herstelltradition von einhändig zu öffnenden Taschenmessern

Taschenmesser sind eine feine Sache: handlich, klein und leicht zu verstauen, die Klinge außerdem gut geschützt im Griff positioniert. Aber vermutlich hat sich jeder Besitzer eines Taschenmessers schon einmal geärgert, wenn er die Klinge mit kalten oder verschmutzten Fingern nur mühsam öffnen konnte.

Dieses Ärgernis mag bereits vor rund 150 Jahren kreative Solinger Messerfabrikanten auf die Idee gebracht haben, einen Öffnungsmechanismus zu erfinden, der es erlaubt, ein Taschenmesser mit nur einer Hand zu öffnen. Bereits um 1850 verwenden renommierte Solinger Stahlwarenhändler in ihren Verkaufsunterlagen den Begriff des "Aufspringmessers".

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Die genaue Entwicklungsgeschichte deutscher Springmesser lässt sich nicht mehr in allen Details in Erfahrung bringen: zu wenig ist dokumentiert worden und durch Kriegswirren sind viele Aufzeichnungen unwiederbringlich vernichtet worden. Unbestritten und eindeutig belegt sind jedoch folgende Fakten:

Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein waren Messer das vorrangige Werkzeug und aus dem Alltag nicht weg zu denken. Schneidarbeiten fielen täglich an.

Die Handhabung der Taschenmesser zu vereinfachen war vielfach erwünscht und oft notwendig. Neue Fertigungstechniken, die im Zuge der Industrialisierung entwickelt wurden, waren hilfreich, technische Innovationen am Taschenmesser zu verwirklichen. So gelang es, Springmesser wirtschaftlich in Serie herzustellen und zu vertretbaren Preisen zu verkaufen. Derartige Messer sind also keine "junge" Erfindung oder gar eine Modeerscheinung der 1950er Jahre, als italienische Stiletti populär wurden.

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Springmesser wurden für den Alltag mit einer Klinge als Schneidwerkzeug hergestellt. Es gab sie seit jeher aber auch mit zusätzlichen Werkzeugklingen in vielfältiger Ausführung. Für Jäger wurden sie zum Beispiel mit Ahle, zusätzlicher Säge, Waidklinge oder Entenhaken angeboten. Auszieher für die unterschiedlichsten Patronensorten ersparten das Mitführen gesonderter Werkzeuge und mit Kapselheber und Korkenzieher war der Jäger auch für die Entspannung nach der Jagd bestens gerüstet. Hirschhorn war das bevorzugte Griffmaterial. 

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Solinger Messerfabrikanten bewiesen aber auch für Marktnischen Gespür. Für Kunden, die offensichtlich neben dem praktischen Nutzen außergewöhnliche Materialien oder ästhetische Details suchten, gab es schon frühzeitig besonders exklusive Modelle von Springmessern.

So zeigt der "Atlas zur Fabrikation der Stahl-Waaren" mit dem Untertitel "Herstellung der Messer, Gabeln, Scheeren, Säbel, Dolche u.s.w., wie solche vornehmlich in Solingen betrieben wird" aus dem Jahr 1868 in zwei naturgetreuen Abbildungen ein besonders edles Dolch-Springmesser: Kunstvoll verzierte Griffschalen gehen perfekt angepasst in eine geschwungene Parierstange über und als Klinge ist eine spitz auslaufende wellenförmige Dolchklinge montiert. Als Griffmaterial wird offenbar edles Elfenbein verwendet.

In der Schnittzeichnung werden die technischen Details mit Springfeder und Verriegelungsmechanismus sichtbar. 

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Um 1880 hat der Ideenreichtum Solinger Messerfabrikanten zu innovativen Detail-lösungen von neuen Auslösemechanismen für Klingen geführt, von denen einige als Patent (DRP) oder mit Gebrauchsmusterschutz (DRGM) registriert wurden. 

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Diese Schutzrechte behinderten keinesfalls eine weite Verbreitung von Springmessern, sondern bewirkten offensichtlich zusätzliche Anstrengungen zu Weiterentwicklungen und führten zu neuen, kreativen technischen Lösungen sowohl für das Öffnen als auch für die Verriegelung der Klinge. Ein 1897 zum Gebrauchsmusterschutz angemeldetes Springmesser hat erstmalig einen klappbaren Hebel als Auslöser. Er wird als Sicherung umgelegt und schließt "mittels eines Spannstifts" ein unbeabsichtigtes Aufspringen oder Zuschnappen der Klinge sicher aus. Diese Auslöseform hat schnell seine ausgereifte Funktionsweise unter Beweis gestellt und hat sich bis heute bewährt. Es gibt aber mindestens 30 weitere, äußerst unterschiedliche Öffnungsvarianten, die mit Druckknopf, Schieber oder anderen Auslösern von deutschen Herstellern erfolgreich angewendet und oft auch im Ausland kopiert wurden. 

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Das Angebot an Springmessern war in der Vergangenheit nicht nur auf einige wenige Hersteller von Taschenmessern beschränkt. Von Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts führten beinahe alle renommierten Solinger Schneidwarenfabriken oder Grossisten in ihrem Verkaufssortiment Springmesser.

Über 150 verschiedene Markenzeichen, Wortmarken oder kombinierte Wort- und Bildmarken sind von diesen Firmen auf ihren Springessern verwendet worden. Selbst kleine Familienwerkstätten nutzten ihr Know-How, um weltweit exportierende Solinger Stahlwarenfabriken oder ausländische Handelshäuser mit Springmessern, die mit den Marken der Abnehmer versehen wurden, zu beliefern. Einige von diesen Werkstätten produzierten nur im Rahmen von Auftragsfertigung und haben nie eine eigene Marke für ihre Messer registrieren lassen.   

Der Vertrieb beschränkte sich bereits vor über 100 Jahren nicht nur auf Europa. Deutsche Springmesser wurden in enormen Stückzahlen erfolgreich weltweit exportiert, z.B. in alle Kolonien der Niederlande, nach Indonesien, Russland, China, Afrika, Nord- und Südamerika. Die 1887 in Großbritannien sowie ab 1891 in den USA geforderte Ursprungsangabe MADE IN GERMANY sollte den Export deutscher Messer behindern. Sie wurde jedoch schnell als Qualitätsmerkmal anerkannt und wurde ein Verkaufsvorteil für  Solinger Schneidwaren und deren Solinger Springmesser trugen ohne Zweifel an der weltweiten Verbreitung des guten Rufes für deutsche Produkte bei. 

Für den Export in die USA wurden die Messer auf der Klinge vielfach nicht mit dem Markenzeichen des deutschen Herstellers versehen, sondern mit dem Namen des amerikanischen Importeurs. Diese Großhändler legten aber stets Wert auf die zusätzliche Markierung mit der Ursprungsbezeichnung "SOLINGEN". 

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Seit etwa 1995 gibt es neue Trends, die Messerliebhaber und Praktiker begeistern. Glasfaser verstärktes Griffmaterial, Leichtmetallguss oder CNC gefräste Materialien ermöglichen neue, moderne Formen und eine ergonomische Griffgestaltung, die weite Kundenkreise ansprechen. Messergriffe werden nur noch aus zwei Hälften zusammen geschraubt, der Auslöse- und Springmechanismus wird in Aussparungen der Griffschalen eingelegt und nicht mehr vernietet. Feuerwehren und Rettungsdienste nutzen als Teil ihrer Schutzausrüstung leichte Springmesser, Gewicht und Größe sind nicht hinderlich und für den besonderen Verwendungszweck sind diese Rettungs-Springmesser mit speziell gestalteten Klingen bestückt sind. 

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Messersammler interessieren sich verstärkt für Springmesser, die mit edlen Damaszener-Stahlklingen aufgewertet worden sind oder deren außergewöhnliche Griffschalen aus Perlmutt, Edelsteinen, Elfenbein oder bunt gefärbten Knochenschalen bestehen.

Gefragt sind von Sammlern auch durch Scrimshaw oder andere Gravurtechniken veredelte Messer oder limitierte Editionen, die zu besonderen Anlässen angeboten werden. Viele Messerliebhaber ergänzen Sammlungen von aktuellen Messern mit "alten", historischen Springmessertypen, um die Vielfalt des Sammelgebietes darzustellen.

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Sowohl die sinnvolle Verwendung von Springmessern im Beruf, bei Sport- und Freizeitaktivitäten als auch die Passion von Messerliebhabern wird durch Aktionismus von Behörden und Politik stark eingeschränkt. Diese Reglementierungen treffen insbesondere ehrbare und unbescholtene Bürger. Belegbare Fakten gibt es für diesen Aktionismus nicht, insbesondere stützen keine Kriminalstatistiken die aktuellen Vorschriften. Selbst die Gewerkschaft der Polizei bewertet diese Tendenzen bereits im Jahr 2000 als nicht sinnvoll und sagt voraus, verbotene Messertypen würden rasch durch neue Muster ersetzt falls das "Alltagswerkzeug Messer" weiter reglementiert würde. 

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In Verruch kamen Springmesser erstmalig in den 50er Jahren, als billige und qualitativ minderwertige Massenware die internationalen Märkte überschwemmte. In den USA führten die in Jugendgangs populären italienischen Stiletti, deren Verbreitung nicht zuletzt durch den Kultfilm "Denn sie wissen nicht, was sie tun" mit James Dean und die Verwendung in Leonard Bernsteins Musical "West Side Story" kräftigen Auftrieb bekamen, zu staatlichen Reglementierungen dieses Messertyps. In der Hoffnung, die als wettbewerbsschädlich eingestufte europäische Messerindustrie vom US-Markt zu verbannen, waren die amerikanischen Hersteller sogar im Gegenzug bereit, auf die bedeutende eigene Herstellung von Springmessern zu verzichten. Traditionell gehörte dort in das Nähset von Damen ein kleines, oft sogar mit zwei aufspringenden Klingen versehenes Taschenmesser, das die Fingernägel beim öffnen schonte. Es war in Luxusausführungen sogar in Sterling Silber erhältlich. 

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In Deutschland gerieten Springmesser erst durch Kino und TV in das Rampenlicht von Verwaltung und Politik. Die Häufung von Kriminalfilmen, in denen oft jugendliche Rebellen Straßenkämpfe ausführen oder kriminelle Täter in bedrohlichen, jedoch realitätsfernen Szenen Springmesser benutzen, erzeugten gegenüber diesem Taschenmessertyp eine ablehnende Haltung, die rational nicht zu begründen ist. 

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Ohne jeden Zweifel ist eine hervorschnellende, im Scheinwerferlicht aufblitzende Messerklinge, die darüber hinaus mit lautem Geräusch aufschnappt und deutlich hörbar verriegelt, für jeden Regisseur ein bestens geeignetes Mittel, die Dramatik einer Situation zu unterstreichen. Deshalb wirken Springmesser vielleicht gefährlich. Sachlich betrachtet zeichnen Springmesser jedoch die gleichen Eigenschaften aus, die auch simple Küchenmesser besitzen: eine Klinge, die meist vorne spitz ist sowie eine scharfe Schneide, die zum Schneiden bestens geeignet ist.

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Gesetzliche Regelung

Beschränkungen für Springmesser wurden in Deutschland erstmalig 1968 durch das Waffengesetz eingeführt. Veränderte Regelungen wurden 1972, 2002 und 2009 erlassen.

Mit dem aktuellen Waffengesetz vom 17. Juli 2009 sind nur noch Springmesser mit seitlich herausspringender Klinge legal, wenn die Klinge eine Länge von höchsten 8,5 cm besitzt und nicht zweiseitig (wie beispielsweise ein Dolch) geschliffen ist.

Das Mindestalter für den Besitz ist das vollendete 18. Lebensjahr.

Trotz vieler Falschmeldungen in den Medien dürfen Springmesser in Deutschland auch weiterhin legal erworben, besessen und in der Öffentlichkeit geführt werden wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt. Zum Zweck der Selbstverteidigung dürfen Einhandmesser NICHT in der Öffentlichkeit geführt werden.